“Hungrig sein und hungrig machen” lautet ja mein Motto, und getreu dem ersten Teil habe ich mich in den letzten Wochen besonders hungrig über ein neues Thema hergemacht und mich viel mit der Fleischreifung, dem “Dry-aging”, beschäftigt.
Meine Vision ist es, möglichst viele Herstellungsprozesse auf dem Weg zu einem Gericht selbst durchführen zu können, zumindest so lange, wie Aufwand und Ertrag in einem (für mich) noch vertretbaren Rahmen stehen. Ein Reifungsschrank für das Trockenreifen von Fleisch und Fisch und die Herstellung von Wurstwaren stand schon lange auf der Liste.
2019 werde ich also immer wieder Artikel zum Thema Dry-aging veröffentlichen, darunter Anleitungen für die Reifung bestimmter Fleischstücke und Hintergrundinformationen über die stattfindenden Prozesse, aber natürlich auch viele Rezepte mit den gereiften Produkten.
Die Anleitungen für das Trockenreifen zuhause werden nicht für jeden Leser umsetzbar sein, dennoch denke ich, dass mehr Informationen über Reifungsprozesse kulinarisch interessierte Menschen zumindest ansprechen und auch für ein besseres Verständnis sorgen. Und es spricht ja gar nichts dagegen, weiterhin fertig gereiftes Fleisch beim Metzger des Vertrauens zu beziehen…
Los geht’s mit dry-aged Gans…
Trocken gereiftes Geflügel findet sich momentan nur sehr selten im Handel. Das liegt meistenteils daran, dass Geflügel – im Speziellen Huhn – keinen besonders hohen Stellenwert in der Gesellschaft besitzen.
Das Fleisch ist billig, die Qualität bleibt bei der Aufzucht durch mangelhafte Bedingungen aufgrund von Kostendruck auf der Strecke.
Um Geflügel trocken zu reifen, braucht es aber exzellente Bedingungen – vor allem Zeit – von der Aufzucht bis zur Schlachtung. Dann ist eine Trockenreifung möglich und durchaus sinnvoll, denn Dry-Aging verstärkt auch beim Geflügel den jeweils typischen Geschmack.
Dry-Aging von Gans, Ente und Huhn ist möglich
Die Trockenreifung von Geflügel ist in der gehobenen Gastronomie Gang und Gäbe. Ich kann mich nicht erinnern, dass im Restaurant Sosein je ein ungereiftes Stück Geflügel auf die Teller gekommen wäre, auch die Karten anderer Restaurants weisen Ente, Huhn oder Gans als „dry aged“ oder „Tage abgehangen“ aus.
Dabei ist die Reifung wesentlich kürzer als bei Rind oder Schwein, Geflügel kann am Knochen ca. 14 Tage abgehangen werden.
Für das Trockenreifen sind möglichst gute Bedingungen notwendig: neben der Temperatur muss die Luftfeuchtigkeit kontrolliert werden, um die Bildung schädlicher Keime zu verhindern und die „guten“ enzymatischen Prozesse zu fördern.
10 – 14 Tage Trockenreifung im Dry Ager
Dass hierzu ebenso eine äußert penible Hygiene gehört, mag an dieser Stelle niemand überraschen. Wer daheim Fleischreifung betreibt, gewöhnt sich schnell an das Tragen von Handschuhen und das Putzen der Oberflächen, die mit dem Fleisch oder Geflügel in Berührung kommen.
Gute und konstante Bedingungen bei Temperatur und Luftfeuchtigkeit lassen sich zuhause am einfachsten mit einem Fleischreifungsschrank wie dem Dry Ager erzielen.
Dieser reguliert die Temperatur auf das Zehntel Grad genau, ebenso die Luftfeuchtigkeit. Ein eingebauter Entkeimer sorgt für beste hygienische Bedingungen.
Die Rahmenbedingungen für die trocken gereifte Gans
Ich bekam knapp zwei Wochen vor Weihnachten frisch geschlachtete und ausgenommene Gänse von einem lokalen Züchter, beide Tiere etwa 4,5 kg schwer.
Diese hing ich bei 1,5 °C und 85 % Luftfeuchtigkeit in den Dry Ager. Im Dry Ager lag ein Salzblock, der der Luft und damit auch den Gänsen schnell Wasser entzog. Die Salzwanne leere ich jeden zweiten Tag, um Gerüche und Keimbildung zu vermeiden.
Ich kontrollierte die Gänse jeden Tag: bereits beim Öffnen des Dry Ager atmete ich tief ein – mir sollte nur ein leicht käsiger, angenehm säuerlicher Geruch in die Nase strömen. Der Geruch sollte keinesfalls stechend oder unangenehm sein („faule Eier“). Ein solcher Geruch wäre ein gutes Signal, dass bei der Reifung Dinge schief laufen.
Der zweite Geruchstest findet an der Gans selbst statt, ich rieche an der Öffnung, ob auch das Innere der Gans angenehm duftet.
Die Fleischreifung ist eine Tätigkeit mit allen Sinnen, und die Sinne wollen trainiert werden. Gut trainierte Sinne sind die beste Warnstufe, wenn kein Labor zur Analyse bereitsteht (was im seltensten Fall der Fall ist). Das braucht Zeit und Erfahrung, weswegen mit der Ausbildung (Stichwort Mindesthaltbarkeitsdatum) nicht früh genug begonnen werden kann.
Nach dem Geruchstest kontrolliere ich die Schwachstellen, die überall da auftreten, wo sich an der Gans Falten bilden und Haut auf Haut liegt. Das ist im Bereich der Keulen, Flügel und im Inneren der Fall, „unter den Achseln“ kann die Gans anfangen, zu schwitzen und schmierig zu werden, noch schlimmer, Schimmel zu bilden.
Entweder entfernt man die Flügel bereits vor der Reifung, oder man wischt die betreffenden Stellen täglich mit einem sauberen Tuch trocken.
Ich hatte damit im Dry Ager keine Probleme, die Gänse waren bereits am zweiten Tag komplett trocken. Der Salzblock erledigte seinen Job mit Bravour.
10 Tage im Dry Ager
Nach 10 Tagen im Dry Ager hatten sich die Gänse verändert: die Haut war sehr trocken, fast ledrig, die Gänse rochen angenehm käsig.
Beide hatten etwa 600 g Gewicht verloren und wogen etwa 3,9 kg – das entspricht einem Verlust von knapp 14 %.
Anleitung zum Trockenreifen von Gänsen
Hinweis: Beim Trockenreifen sind enzymatische Prozesse im Gange, die von unterschiedlichsten Faktoren abhängen. Die hier niedergeschriebene Anleitung ist keine Gelinggarantie und ersetzt weder sauberes Arbeiten noch stete Kontrolle und eigene Verantwortung. Die Reifung ist im Zweifel immer abzubrechen, um Gesundheitsschäden zu vermeiden.
Benötigtes Equipment:
- Dry Ager
- Hängevorrichtung im Dry Ager
- Haken zum Aufhängen
- Salzblock
- Silikon-Handschuhe
- Ggf. Mundschutz
Zutaten:
1 Gans, küchenfertig, sehr frisch
Reifung:
1 Den Dry Ager ggf. reinigen und die Temperatur auf 1,5 °C und die Luftfeuchtigkeit auf 85 % setzen. Einen Salzblock in den Dry Ager legen.
2 Die Gans 10 – 14 Tage im Dry Ager reifen.
3 Täglich auf feuchte Stellen im Bereich der Flügel und Keulen sowie innen kontrollieren und ggf. mit einem sauberen Tuch trocknen.
Täglich eine Geruchskontrolle und eine optische Kontrolle durchführen. Die Gans sollte angenehm käsig und angenehm (leicht) säuerlich riechen. Stechender Geruch oder Geruch von Fäulnis (z. B. wie „faule Eier“) sind Hinweise, dass etwas schief lief.
Optische Kontrolle auf Schimmel.
4 Nach 10 – 14 Tagen verarbeiten – vorher waschen und trockentupfen.
Quellen:
„Veredelung“ von Heiko Antoniewicz, Ludwig Maurer und Michael Podvinec, Matthaes Verlag
Oft gestellte Fragen
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Lieber Uwe,
ich schreibe dir viel zu selten, obwohl ich eigentlich relativ oft auf deinem Blog bin und auch deinen Newsletter sehr gern lese. Ich verfolge immer wieder mit einer Mischung aus Faszination und purem Neid (ja, ich gebs zu) mit welcher Perfektion du in der Küche arbeitest, die Ergebnisse können sich ja offensichtlich sehen lassen.
Dass man auch Geflügel dry-agen (ist das das korrekte Verb?) kann, war mir bisher nicht bewusst. Wir haben uns zu Weihnachten das erste Mal an niedriggegartes Geflügel getraut und gleich zwei Truthähne so zubereitet. Das Ergebnis war wunderbar, noch nie hab ich so zartes und trotzdem saftiges Fleisch gegessen, obwohl Truthahn ja eher dazu neigt, trocken zu werden.
An Dry Age trau ich mich trotzdem (noch) nicht ran, was sicher zu großem Teil daran liegt, dass ich noch keinen Dry-Ager angeschafft habe ;-)
Ich hoffe, wir treffen uns irgendwann auch mal wieder persönlich, ich vermisse die Foodbloggercamps :-)
Liebe Grüße
Julia
Hallo Julia, danke Dir von Herzen für Deinen wertschätzenden Kommentar, das hat mich sehr gefreut! Noch mehr freut mich, Inspiration sein und geben zu können – denn das ist mein Antrieb, warum ich diesen Blog überhaupt betreibe…