Die Sushi-Meister in Japan sind für ihre Gerichte auf eine ganz besonders hohe Produktqualität angewiesen. Denn je weniger Zutaten auf einem Teller sind, desto weniger Möglichkeiten gibt es, durchschnittliche Produkte zu verstecken.

So ist es nicht verwunderlich, dass die Meister versuchten, jeden Zubereitungsschritt zu optimieren und bei diesen Überlegungen eine besonders schonende Schlachtmethode ersannen, die die Produktqualität dramatisch verbessert.

Denn je weniger Stress Fische vor der Schlachtung erleben, desto besser ist die Fleischqualität. Das liegt im Wesentlichen daran, dass die Muskulatur von Fischen unter Stress übersäuern, weil die Versorgung nicht mehr aerob gewährleistet werden kann.

Ike Jime bedeutet Reduktion von Stress

Die Übersäuerung aktiviert Enzyme, die Proteine abbauen. Im Gegensatz zu Rindfleisch, bei dem die Aktivität von Enzymen die Fleischqualität eher fördert, ist der Abbau von Proteinen bei Fisch von Nachteil: er zerstört das Muskelgewebe.

Darüber hinaus haben Untersuchungen belegt, dass müde und gestresste Fische weniger ATP (Adenosintriphosphat) in ihren Muskeln haben.

ATP sorgt dafür, dass das Muskelgewebe geschmeidig bleibt. Sobald das ATP nach dem Tod aufgebraucht ist, setzt die Totenstarre ein, die Muskeln verhärten („Rigor mortis“). Die dabei wirkenden Kräfte sind stark genug, dass Muskelfasern mindestens beschädigt, oft aber auch auseinander gerissen werden können. Das Fleisch wird unangenehm weich, die Qualität sinkt.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Muskulatur von Fischen, die unter Stress getötet wurden und dadurch wenig ATP-Reserven besitzen, schneller in eine intensivere Totenstarre gelangt.

Genau hier setzt Ike Jime an: die Technik minimiert den auf den Fisch einwirkenden Stress vor und während der Schlachtung.

Ike Jime Schritt für Schritt

Während meines Praktikums im Restaurant Sosein in Heroldsberg durfte ich vielen Schlachtungen beiwohnen und unter Anleitung üben. Das ist wichtig, denn die korrekte Ausführung der Ike-Jime-Schlachtung benötigt etwas Übung. Wer keine Übung und keinen Lehrer hat, bezieht die Fische am besten von einem Produzenten , der die Schlachtung beherrscht oder die nötigen Handgriffe unter Anleitung beibringen kann, bevor selbst Hand angelegt und ausprobiert wird. Denn von der professionellen Schlachtung hängt nicht nur die Produktqualität ab, sondern auch ein möglichst leidloser Tod des Tieres.

Sieht man den Ike-Jime-Meistern auf dem berühmten Tokioter Fischmarkt „Toyosu“ zu, so dauert die Schlachtung nur wenige Sekunden. Jeder Handgriff sitzt, die Fische wehren sich nicht, alles läuft ruhig und besonnen ab. Die Schlachtung beginnt schon vor dem eigentlichen Töten: die Fische befinden sich lebend in großen Bottichen, aus denen sie mit geübten Griffen sachte entnommen werden. Meister der Technik schaffen dies ohne nennenswerte Gegenwehr der Fische, was den Stresslevel weiter gering hält.

Danach geht alles sehr schnell:  der Fisch wird mit einem gezielten Stich in das Gehirn getötet. Ausschlaggebend ist dabei, die richtige Stelle zu finden, unterscheidet sie sich doch von Fischart zu Fischart. Aus Tierwohlsicht empfiehlt sich ein genaues Studieren der Anatomie sowie oben abgesprochenes Hospitieren, bevor selbst Hand angelegt wird.

Nach dem Stich ins Hirn folgen Schnitte unter den Kiemen und kurz vor der Schwanzflosse, damit der Fisch ausbluten kann.

In den an der Schwanzflosse freigelegten Rückenmarkskanal wird nun ein Draht eingeführt, um die Nervenbahnen des Fisches zu zerstören. Spürt man beim Einführen eine einmalige, wellenartige Muskelkontraktion, so war dieser Schritt erfolgreich.

Dieser Schritt ist notwendig, weil das autonome Nervensystem auch ohne Gehirnaktivität weiterhin Impulse an die Muskulatur sendet und diese unter Stress setzt, bis das ATP aufgebraucht ist.

Indem das Rückenmark zerstört wird, sendet das Nervensystem keine Impulse, das ATP verbleibt in höherer Konzentration in der Muskulatur. Die  Totenstarre tritt später und weniger stark ein.

Nach der Zerstörung des Rückenmarks liegt der leblose Fisch noch etwa 15 Minuten in gesalzenem Eiswasser. Da bei der Ike-Jime-Schlachttechnik das Herz des Fisches auch nach dem Stich ins Hirn und dem Durchbohren des Rückenmarks einige Minuten weiter schlägt, pumpt es nahezu alles Blut aus dem Muskelgewebe. Das ist wichtig, weil das Blut nach dem Tod als erstes verdirbt und entscheidend für die Haltbarkeit des Fisches ist. Ike-Jime-geschlachteten Fischen fehlt jeglicher „fischiger“ Geruch, die Trockenreifung der Tiere wird so ermöglicht. Eine Anleitung dafür findet sich hier.

Zuletzt wird der Fisch ausgenommen und entweder im Ganzen oder filetiert seiner Nutzung zugeführt.

Die Vorteile zusammengefasst

  • Die Fische haben einen besseren Geschmack sowie eine dichtere Textur.
  • Die Haltbarkeit der Fische ist länger.
  • Es ergibt sich die Möglichkeit des Trockenreifens, wodurch die Produktqualität weiter verbessert werden kann

Rezepte mit Ike-Jime-geschlachteten Fischen