Rettich, Preiselbeeren, Holunder

Rettich, Preiselbeeren, Holunder

Veröffentlicht am 12. Dezember 2018 |

Lesezeit: 4 Minuten

Ruhig war es hier auf dem Blog in den letzten Wochen, was vor allem daran lag, dass es außerhalb des Blogs bei mir nicht so ruhig war: zwei Supperclubs binnen vier Wochen, einige Auftragsarbeiten und allerhand andere Themen verhinderten, dass regelmäßig Artikel erscheinen konnten. Das ist nun aber vorbei!

In den letzten Wochen haben sich viele schöne Inhalte gesammelt, Supperclubs sind für mich eine intensive Zeit: auf der Suche nach neuen Gerichten entsteht Schönes, ich lerne viel und habe Vieles erfahren, über das ich nun gerne berichte.

Danke also für die Geduld!

Den Anfang macht ein Rezept, dessen Inspiration schon ein paar Monate zurückliegt. Im Frühsommer besuchte ich einen Workshop von Esther Kern und Andree Köthe zum Thema “Leaf to root”, der ganzheitlichen Verwertung von Pflanzen.

Dieser Workshop gehört definitiv zu den  inspirierendsten Momenten in meinem kulinarischen Jahr 2018 (Ja! Die 100 coolen kulinarischen Dinge werden auch 2018 wieder erscheinen!) – in fünf Stunden konnte ich unfassbar viel lernen.

Gemüse pulverisieren

So auch eine Technik, die ich nun in den letzten Monaten mannigfaltig ausprobiert habe. Gemüse wird fermentiert, dann getrocknet und zu einem Pulver verarbeitet.

Durch die milchsaure Fermentation eignet sich das Pulver als Würzmittel oder als Basis für Crèmes. Sahne wird eingekocht, dann das Pulver eingerührt, bis eine Crème entsteht.

Das funktionierte bisher mit Rettich, Lauchzwiebeln und Karotten. Es laufen Versuche mit Schwarzwurzeln, Blumenkohl und Tomaten, mal sehen, was die Zukunft bringt.

Der Vorteil: der Geschmack ist intensiv, voller Umami, vollmundig, eben etwas von der Sorte “habe ich so noch nicht gegessen”. Grund genug für mich, den entstehenden Aufwand zu rechtfertigen.

Der Ablauf

Um ein Pulver herzustellen, sind verschiedene Arbeitsschritte nötig:

  1. Die Fermentations-Phase: für dieses Rezept habe ich Rettich fermentiert. Das dauert etwa 7 bis 8 Tage.
  2. Die Trocknungs-Phase: der fermentierte Rettich kommt für 8 Stunden bei 52 °C in einen Dörrautomaten, bis die Stücke richtig durchgetrocknet sind.
  3. Die Pulverisierungs-Phase: ich benutze eine elektrische Kaffeemühle, um den getrockneten Rettich zu pulverisieren. Das dauert ein wenig, bei mir waren bis zum Erreichen eines feinen Mahlgrades 1-2 Minuten nötig.

Ganz klar: Pulver lässt sich auch ohne Fermentations-Phase herstellen. Abschnitte von Lauchzwiebeln z. B. sammle ich im Tiefkühler und trockne sie dann, wenn genug zusammengekommen ist, im Dörrautomaten.

Das Gericht

Das heutige Gericht selbst rückt Rettich in den Mittelpunkt. Auf dem Teller findet sich der Rettich in mehreren Konsistenzen:

  • Als Crème auf Basis von fermentiertem und getrocknetem Rettich
  • Roh
  • Entsaftet im Schaum

Den rohen Rettich lege ich für etwa 30 Minuten in einer Mischung aus Salz, Zucker und Zitronensaft ein. Das ist übrigens auch ein schneller Weg, eine kleine Brotzeit-Köstlichkeit herzustellen. Der Rettich verliert so seine Schärfe.

Der Schaum besteht aus Rettichsaft. Dieser ist sehr scharf und solo keine wirkliche Delikatesse. Deswegen wird er mit reichlich Holundersirup “gezähmt” und mit etwas Salz abgeschmeckt.

Aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten ergibt sich ein volles, sehr aromatisches Mundgefühl, das Umami, Salzigkeit, Frische und Süße nach meinem Geschmack hervorragend kombiniert.

Ach ja, wenn man Rettich trocknet…

…dann riecht das, nunja, streng. Der arme Postbote, der ein Paket abgeben wollte, während ich trocknete, hatte sichtlich mit entgleisenden Gesichtszügen zu kämpfen. Dass ich Rettich trockne, hat er mir bestimmt nicht abgenommen…

Rezept

Hinweis: Bei Fermentations-Rezepten ist die Natur am Werk, Dinge können schiefgehen, es gibt keine Gelinggarantie. Daher gilt: bitte sauber arbeiten, genau kontrollieren, prüfen, anschauen, riechen, schmecken und im Zweifel von Neuem beginnen.

Dauer:

60 Minuten Zubereitungszeit
6 Tage Fermentieren
1 Tag Trocknen

Equipment:

  • Vakuumierer
  • Dörrautomat
  • Bunsenbrenner
  • Elektrische Kaffeemühle/Hochleistungsmixer

Zutaten (für 4 Personen als Appetizer):

1 Rettich
Holundersirup
100 g Preiselbeeren
20 g Zucker
1 Zitrone
Umami-Salz

Für den fermentierten Rettich/das Rettichpulver:

700 g Rettiche
Salz
600 ml dunkles Bier
160 g Weizenkleie

Für die Rettichcrème:

100 ml Sahne
2-3 TL Rettichpulver

Zubereitung:

1 Für den fermentierten Rettich die zwei Rettiche schälen und in Stücke schneiden. Abwiegen. 2% des Eigengewichtes an Salz dazugeben. Das Bier mit der Weizenkleie vermischen und mit dem Rettich vakuumieren. 6 Tage fermentieren lassen.

2 Den fermentierten Rettich waschen, kleinschneiden (Kantenlänge 1 cm) und bei 50 °C etwa 8 Stunden trocknen.

3 Nach dem Trocknen den Rettich in einer elektrischen Kaffeemühle/einem Hochleistungsmixer zu einem feinen Pulver verarbeiten.

4 Die Preiselbeeren mit dem Zucker vermischen und vakuumieren. Zwei Tage im Kühlschrank ziehen lassen. Dann entnehmen und im Dörrautomaten bei 50 °C etwa 2 Stunden trocknen.

5 Für die Rettich-Vinaigrette einen halben Rettich entsaften und mit Holundersirup abschmecken.

6 Den übrigen Rettich schälen und in 8 dünne Scheiben hobeln. Die Scheiben mit Salz, Zucker und Zitronensaft etwa eine Stunde marinieren. Dann falten und mit einem Bunsenbrenner abflämmen.

7 Für die Rettichcrème die Sahne in einer Pfanne dick einkochen. Dann Rettichpulver zugeben, bis sich eine Crème ergibt.

8 Etwas Crème auf den Tellern verteilen. Rettichröschen anrichten, Rettichsud und Preiselbeeren zugeben. Mit etwas Umami-Salz bestreuen.

Quelle: Essigbrätlein, Nürnberg

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In den letzten Wochen haben sich viele schöne Inhalte gesammelt, Supperclubs sind für mich eine intensive Zeit: auf der Suche nach neuen Gerichten entsteht Schönes, ich lerne viel und habe Vieles erfahren, über das ich nun gerne berichte.

Danke also für die Geduld!

Den Anfang macht ein Rezept, dessen Inspiration schon ein paar Monate zurückliegt. Im Frühsommer besuchte ich einen Workshop von Esther Kern und Andree Köthe zum Thema “Leaf to root”, der ganzheitlichen Verwertung von Pflanzen.

Dieser Workshop gehört definitiv zu den  inspirierendsten Momenten in meinem kulinarischen Jahr 2018 (Ja! Die 100 coolen kulinarischen Dinge werden auch 2018 wieder erscheinen!) – in fünf Stunden konnte ich unfassbar viel lernen.

Gemüse pulverisieren

So auch eine Technik, die ich nun in den letzten Monaten mannigfaltig ausprobiert habe. Gemüse wird fermentiert, dann getrocknet und zu einem Pulver verarbeitet.

Durch die milchsaure Fermentation eignet sich das Pulver als Würzmittel oder als Basis für Crèmes. Sahne wird eingekocht, dann das Pulver eingerührt, bis eine Crème entsteht.

Das funktionierte bisher mit Rettich, Lauchzwiebeln und Karotten. Es laufen Versuche mit Schwarzwurzeln, Blumenkohl und Tomaten, mal sehen, was die Zukunft bringt.

Der Vorteil: der Geschmack ist intensiv, voller Umami, vollmundig, eben etwas von der Sorte “habe ich so noch nicht gegessen”. Grund genug für mich, den entstehenden Aufwand zu rechtfertigen.

Der Ablauf

Um ein Pulver herzustellen, sind verschiedene Arbeitsschritte nötig:

  1. Die Fermentations-Phase: für dieses Rezept habe ich Rettich fermentiert. Das dauert etwa 7 bis 8 Tage.
  2. Die Trocknungs-Phase: der fermentierte Rettich kommt für 8 Stunden bei 52 °C in einen Dörrautomaten, bis die Stücke richtig durchgetrocknet sind.
  3. Die Pulverisierungs-Phase: ich benutze eine elektrische Kaffeemühle, um den getrockneten Rettich zu pulverisieren. Das dauert ein wenig, bei mir waren bis zum Erreichen eines feinen Mahlgrades 1-2 Minuten nötig.

Ganz klar: Pulver lässt sich auch ohne Fermentations-Phase herstellen. Abschnitte von Lauchzwiebeln z. B. sammle ich im Tiefkühler und trockne sie dann, wenn genug zusammengekommen ist, im Dörrautomaten.

Das Gericht

Das heutige Gericht selbst rückt Rettich in den Mittelpunkt. Auf dem Teller findet sich der Rettich in mehreren Konsistenzen:

  • Als Crème auf Basis von fermentiertem und getrocknetem Rettich
  • Roh
  • Entsaftet im Schaum

Den rohen Rettich lege ich für etwa 30 Minuten in einer Mischung aus Salz, Zucker und Zitronensaft ein. Das ist übrigens auch ein schneller Weg, eine kleine Brotzeit-Köstlichkeit herzustellen. Der Rettich verliert so seine Schärfe.

Der Schaum besteht aus Rettichsaft. Dieser ist sehr scharf und solo keine wirkliche Delikatesse. Deswegen wird er mit reichlich Holundersirup “gezähmt” und mit etwas Salz abgeschmeckt.

Aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten ergibt sich ein volles, sehr aromatisches Mundgefühl, das Umami, Salzigkeit, Frische und Süße nach meinem Geschmack hervorragend kombiniert.

Ach ja, wenn man Rettich trocknet…

…dann riecht das, nunja, streng. Der arme Postbote, der ein Paket abgeben wollte, während ich trocknete, hatte sichtlich mit entgleisenden Gesichtszügen zu kämpfen. Dass ich Rettich trockne, hat er mir bestimmt nicht abgenommen…

Rezept

Hinweis: Bei Fermentations-Rezepten ist die Natur am Werk, Dinge können schiefgehen, es gibt keine Gelinggarantie. Daher gilt: bitte sauber arbeiten, genau kontrollieren, prüfen, anschauen, riechen, schmecken und im Zweifel von Neuem beginnen.

Dauer:

60 Minuten Zubereitungszeit
6 Tage Fermentieren
1 Tag Trocknen

Equipment:

  • Vakuumierer
  • Dörrautomat
  • Bunsenbrenner
  • Elektrische Kaffeemühle/Hochleistungsmixer

Zutaten (für 4 Personen als Appetizer):

1 Rettich
Holundersirup
100 g Preiselbeeren
20 g Zucker
1 Zitrone
Umami-Salz

Für den fermentierten Rettich/das Rettichpulver:

700 g Rettiche
Salz
600 ml dunkles Bier
160 g Weizenkleie

Für die Rettichcrème:

100 ml Sahne
2-3 TL Rettichpulver

Zubereitung:

1 Für den fermentierten Rettich die zwei Rettiche schälen und in Stücke schneiden. Abwiegen. 2% des Eigengewichtes an Salz dazugeben. Das Bier mit der Weizenkleie vermischen und mit dem Rettich vakuumieren. 6 Tage fermentieren lassen.

2 Den fermentierten Rettich waschen, kleinschneiden (Kantenlänge 1 cm) und bei 50 °C etwa 8 Stunden trocknen.

3 Nach dem Trocknen den Rettich in einer elektrischen Kaffeemühle/einem Hochleistungsmixer zu einem feinen Pulver verarbeiten.

4 Die Preiselbeeren mit dem Zucker vermischen und vakuumieren. Zwei Tage im Kühlschrank ziehen lassen. Dann entnehmen und im Dörrautomaten bei 50 °C etwa 2 Stunden trocknen.

5 Für die Rettich-Vinaigrette einen halben Rettich entsaften und mit Holundersirup abschmecken.

6 Den übrigen Rettich schälen und in 8 dünne Scheiben hobeln. Die Scheiben mit Salz, Zucker und Zitronensaft etwa eine Stunde marinieren. Dann falten und mit einem Bunsenbrenner abflämmen.

7 Für die Rettichcrème die Sahne in einer Pfanne dick einkochen. Dann Rettichpulver zugeben, bis sich eine Crème ergibt.

8 Etwas Crème auf den Tellern verteilen. Rettichröschen anrichten, Rettichsud und Preiselbeeren zugeben. Mit etwas Umami-Salz bestreuen.

Quelle: Essigbrätlein, Nürnberg

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2 Comments

  1. Eldera 20. Dezember 2018 at 10:44 - Reply

    Hallo,
    danke wieder für diese tolle Inspiration.
    Ich habe allerdings noch eine Frage zur Fermentation. Hast du ein Standard Rezept (bzgl. der Salzmenge), welches du bei allen Fermentationsprozessen nutzt oder entscheidest du das individuell bei jedem Gemüse? Ich muss unbedingt das Pulver nachmachen! Aber erst, nachdem die Kühl- und Tiefkühl Schränke nach Silvester wieder leer sind ;-)
    Liebe Grüße und schöne Feiertage wünscht Eldera

    • Uwe 7. Oktober 2019 at 21:01 - Reply

      Hallo Eldera! Meine Faustformel sind 2% des Eigengewichts an Salz dazugeben. Weniger sollte es nicht sein.

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