“Schlachtschüssel” aus dem Restaurant Sosein

“Schlachtschüssel” aus dem Restaurant Sosein

Veröffentlicht am 21. April 2020 |

Lesezeit: 4 Minuten

Ganz genau weiss ich es noch, wie es roch, wie es schmeckte, wie mich dieser erste Löffel beeindruckte. Der letzte Streich des fünfteiligen Prologes im Restaurant Sosein bei meinem ersten Besuch im Herbst 2016 war die Schlachtschüssel – und wohl der Beginn einer großen Liebe.

Ich gerate regelmäßig ins Schwärmen, wenn ich an diesen Moment zurückdenke. Es ist die Initialzündung einer mittlerweile fast vier Jahre dauernden Reise, auf der sich meine Vorstellung von guter (und kreativer) Küche, meine eigenen Präferenzen und schlussendlich meine weitere Entwicklung erst zaghaft gebildet, dann manifestiert und mit Verstehen gefüllt und schlussendlich für den Moment definiert haben.

Seither habe ich viel gelesen, geschmeckt, ausprobiert, verworfen, geübt, zugehört und noch viel mehr gelernt. Heute würde ich behaupten, die Grundfesten von Felix Schneiders Küche etwas besser zu verstehen, ein Wissen, das mir zu Beginn meines Praktikums im Sosein gut gestanden und wohl weiter geholfen hätte. Aber jeder Anfang ist schwer, und umso schöner ist es, auf die eigene Entwicklung zurückzublicken.

Eigentlich hatte ich vor, über Ostern ein paar Tage frei zu nehmen und mich erneut als Praktikant im Sosein zu verdingen, daraus wurde wegen der Corona-Krise leider nichts. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Umso schöner war es nun, die erste Sosein-Box zu öffnen (das Restaurant verschickt jeden Freitag eine Box mit köstlichen Produkten für etwa 5 Gerichte, die zuhause nach Anleitung gekocht werden können, Tina von “Lecker & Co” hat darüber schön berichtet – unbezahlte Werbung für gutes Essen!) und die Zutaten für die „Schlachtschüssel“ herauszufischen.

Der “Signature Dish” aus dem Restaurant Sosein

Wenn es so etwas wie einen „Signature Dish“ gibt, dann trifft dies für das Sosein definitiv auf die „Schlachtschüssel“ zu.

Vorherrschend sind die typischen Aromen einer deftigen Schlachtplatte, bestehend aus Sauerkraut, Leberwurst und Kartoffeln, sie finden sich aber nicht in gewohnter Form auf dem Teller, obwohl die olfaktorische Note etwas anderes behauptet.

Das Sauerkraut besteht aus fermentiertem Rotkohl, der entsaftet und eingekocht wird. Der Rotkohlsaft wird anschließend mit viel kalter Butter zu einer schmackhaften Sauce mit fein ausbalancierter Säure montiert. Das Ansetzen und Entsaften war in meinem Praktikum eine meiner Aufgaben…

Dazu gibt es exzellente Kartoffeln von regionalen Lieferanten, besonders beliebt sind die Sorten „Bamberger Hörnla“, „Papa Negra“ und „Mayan Twilight“. Diese werden heiß und schnell in Salzwasser gekocht, schnell geschält und dampfend in die Rotkohlsauce gesetzt.

Das Leberwurst-Aroma kommt von geräucherter und getrockneter Schweineleber, die fein über die Kartoffel gerieben wird. Natürlich geht es rein konzeptuell bei diesem Gericht um die ganzheitliche Verwertung des Schweins, wozu auch die Leber zählt.

Die getrocknete Schweineleber ist auch die Zutat, die wohl am Schwierigsten zu bekommen oder herzustellen ist. Wer das Gericht zuhause nachempfinden möchte, kann es ersatzweise mit wenig Leberwurst probieren, das Ergebnis ist jedoch nicht annähernd das Gleiche.

Dennoch: hier kommt eine Anleitung zur Herstellung in den heimischen vier Wänden – und der unbedingte Aufruf, das Gericht nach überstandener Krise „in echt“ zu verkosten – oder sich bis dahin eine der famosen Boxen zu gönnen.

Rezept

Fermentierter Rotkohl

1 Rotkohlkopf
Grobes Meersalz
1 Vakuumbeutel

Den Rotkohlkopf waschen und achteln. Wiegen. 2% des gemessenen Gewichts an Salz mit dem Rotkohl in einen Vakuumbeutel geben und vermischen. Anschließend vakuumieren und vier Wochen fermentieren.

Entstehende Gärgase hin und wieder ablassen und erneut vakuumieren.

Nach vier Wochen den Rotkohl auf Schimmel kontrollieren und entsaften.

Getrocknete Schweineleber

1 Schweineleber
Meersalz

Die Schweineleber säubern und mit 10% des Eigengewichtes an Salz vakuumieren und 24 Stunden im Kühlschrank lagern. Danach bei 1,5°C und einer Luftfeuchtigkeit von 85% in einem Reifeschrank reifen lassen. Danach 3x alle zwei Wochen über 6-8 Stunden räuchern (dazwischen im Reifeschrank reifen) und anschließend über 2 Monate im Keller durchtrocknen.

Hinweis: dieser Prozess erfordert hygienisches Arbeiten und eine Anpassung an lokale Gegebenheiten – die Anleitung ist mehr eine Empfehlung und bedarf sicherlich Adaptionen.

Blaukraut-Sauce

70 ml fermentierter Rotkohlsaft
70 g Butter

Den Rotkohlsaft aufkochen und mit der kalten Butter und einem Stabmixer zu einer Sauce montieren.

Anrichten

4 Kartoffeln, z. B. „Bamberger Hörnla”
1 Stück getrocknete und geräucherte Schweineleber

Die Kartoffeln kochen und schälen. Die Blaukraut-Sauce in einen tiefen Teller gießen, eine Kartoffel dazugeben und die Schweineleber darüber reiben.

Quelle: Felix Schneider, Restaurant Sosein, Heroldsberg.

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Ganz genau weiss ich es noch, wie es roch, wie es schmeckte, wie mich dieser erste Löffel beeindruckte. Der letzte Streich des fünfteiligen Prologes im Restaurant Sosein bei meinem ersten Besuch im Herbst 2016 war die Schlachtschüssel – und wohl der Beginn einer großen Liebe.

Ich gerate regelmäßig ins Schwärmen, wenn ich an diesen Moment zurückdenke. Es ist die Initialzündung einer mittlerweile fast vier Jahre dauernden Reise, auf der sich meine Vorstellung von guter (und kreativer) Küche, meine eigenen Präferenzen und schlussendlich meine weitere Entwicklung erst zaghaft gebildet, dann manifestiert und mit Verstehen gefüllt und schlussendlich für den Moment definiert haben.

Seither habe ich viel gelesen, geschmeckt, ausprobiert, verworfen, geübt, zugehört und noch viel mehr gelernt. Heute würde ich behaupten, die Grundfesten von Felix Schneiders Küche etwas besser zu verstehen, ein Wissen, das mir zu Beginn meines Praktikums im Sosein gut gestanden und wohl weiter geholfen hätte. Aber jeder Anfang ist schwer, und umso schöner ist es, auf die eigene Entwicklung zurückzublicken.

Eigentlich hatte ich vor, über Ostern ein paar Tage frei zu nehmen und mich erneut als Praktikant im Sosein zu verdingen, daraus wurde wegen der Corona-Krise leider nichts. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Umso schöner war es nun, die erste Sosein-Box zu öffnen (das Restaurant verschickt jeden Freitag eine Box mit köstlichen Produkten für etwa 5 Gerichte, die zuhause nach Anleitung gekocht werden können, Tina von “Lecker & Co” hat darüber schön berichtet – unbezahlte Werbung für gutes Essen!) und die Zutaten für die „Schlachtschüssel“ herauszufischen.

Der “Signature Dish” aus dem Restaurant Sosein

Wenn es so etwas wie einen „Signature Dish“ gibt, dann trifft dies für das Sosein definitiv auf die „Schlachtschüssel“ zu.

Vorherrschend sind die typischen Aromen einer deftigen Schlachtplatte, bestehend aus Sauerkraut, Leberwurst und Kartoffeln, sie finden sich aber nicht in gewohnter Form auf dem Teller, obwohl die olfaktorische Note etwas anderes behauptet.

Das Sauerkraut besteht aus fermentiertem Rotkohl, der entsaftet und eingekocht wird. Der Rotkohlsaft wird anschließend mit viel kalter Butter zu einer schmackhaften Sauce mit fein ausbalancierter Säure montiert. Das Ansetzen und Entsaften war in meinem Praktikum eine meiner Aufgaben…

Dazu gibt es exzellente Kartoffeln von regionalen Lieferanten, besonders beliebt sind die Sorten „Bamberger Hörnla“, „Papa Negra“ und „Mayan Twilight“. Diese werden heiß und schnell in Salzwasser gekocht, schnell geschält und dampfend in die Rotkohlsauce gesetzt.

Das Leberwurst-Aroma kommt von geräucherter und getrockneter Schweineleber, die fein über die Kartoffel gerieben wird. Natürlich geht es rein konzeptuell bei diesem Gericht um die ganzheitliche Verwertung des Schweins, wozu auch die Leber zählt.

Die getrocknete Schweineleber ist auch die Zutat, die wohl am Schwierigsten zu bekommen oder herzustellen ist. Wer das Gericht zuhause nachempfinden möchte, kann es ersatzweise mit wenig Leberwurst probieren, das Ergebnis ist jedoch nicht annähernd das Gleiche.

Dennoch: hier kommt eine Anleitung zur Herstellung in den heimischen vier Wänden – und der unbedingte Aufruf, das Gericht nach überstandener Krise „in echt“ zu verkosten – oder sich bis dahin eine der famosen Boxen zu gönnen.

Rezept

Fermentierter Rotkohl

1 Rotkohlkopf
Grobes Meersalz
1 Vakuumbeutel

Den Rotkohlkopf waschen und achteln. Wiegen. 2% des gemessenen Gewichts an Salz mit dem Rotkohl in einen Vakuumbeutel geben und vermischen. Anschließend vakuumieren und vier Wochen fermentieren.

Entstehende Gärgase hin und wieder ablassen und erneut vakuumieren.

Nach vier Wochen den Rotkohl auf Schimmel kontrollieren und entsaften.

Getrocknete Schweineleber

1 Schweineleber
Meersalz

Die Schweineleber säubern und mit 10% des Eigengewichtes an Salz vakuumieren und 24 Stunden im Kühlschrank lagern. Danach bei 1,5°C und einer Luftfeuchtigkeit von 85% in einem Reifeschrank reifen lassen. Danach 3x alle zwei Wochen über 6-8 Stunden räuchern (dazwischen im Reifeschrank reifen) und anschließend über 2 Monate im Keller durchtrocknen.

Hinweis: dieser Prozess erfordert hygienisches Arbeiten und eine Anpassung an lokale Gegebenheiten – die Anleitung ist mehr eine Empfehlung und bedarf sicherlich Adaptionen.

Blaukraut-Sauce

70 ml fermentierter Rotkohlsaft
70 g Butter

Den Rotkohlsaft aufkochen und mit der kalten Butter und einem Stabmixer zu einer Sauce montieren.

Anrichten

4 Kartoffeln, z. B. „Bamberger Hörnla”
1 Stück getrocknete und geräucherte Schweineleber

Die Kartoffeln kochen und schälen. Die Blaukraut-Sauce in einen tiefen Teller gießen, eine Kartoffel dazugeben und die Schweineleber darüber reiben.

Quelle: Felix Schneider, Restaurant Sosein, Heroldsberg.

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7 Comments

  1. conny 24. April 2020 at 16:38 - Reply

    Ich muss schon sagen, dass mich diese getrockneten inneren Organe nicht so überzeugen. Ich habe vor einiger Zeit in München getrocknetes Thunfischherz und in Österreich getrocknete Lammnieren gegessen, beides auch mit einer Microplane übers Essen gehobelt. War nicht mein Fall, was nicht so wichtig ist, aber hoffentlich täuscht mich mein Eindruck, dass das gerade in Mode ist und einige Köche bei dem Trend mitwirken, um sich interessant zu machen.

    • Uwe Spitzmüller 25. April 2020 at 07:58 - Reply

      Hi Conny, hm, ich würde da gerne zwischen “nicht mein Fall” und “Trend, um sich interessant zu machen” unterscheiden. Gemischt funktioniert die Argumentation für mich nicht. Für sich genommen ist ersteres total ok. Bei zweitem möchte ich nicht kategorisch widersprechen, denn das wird in irgend einem Restaurant bestimmt der Fall sein. Wichtig ist doch, ob etwas Sinn macht: wenn – wie bei diesem Gericht – die getrocknete Schweineleber als “Gewürz” zur Aromatisierung und Komplettierung eingesetzt wird, kann ich nichts “trendiges” daran erkennen, denn die Komponente hat einen geschmacklichen UND konzeptuellen Sinn. OHNE die Schweineleber wäre es NICHT das gleiche Gericht. Und DAS ist nicht immer bei allen Köchen/Tellern/Zutaten so (Stichwort _irgendwelche_ Blüten/Kresse/Grün, nur damit was draufliegt).Hinzu kommt, dass Felix Schneider hier eine sehr alte Zubereitungsform aus Japan (Katsuobushi) als Vorbild nutzt und in unsere Welt überträgt. Innereien generell sind ein Trend – aber für mich als Argumentation “sich interessant zu machen” in diesem Kontext nicht stark genug – weil der kulinarische Sinn gegeben ist.

      • conny 28. April 2020 at 11:05 - Reply

        Tja, Du hast sicher recht mit Deiner Beurteilung. Mir ist nur nicht ganz wohl dabei, wenn ich in kurzen Abständen – und ich gehe wirklich nicht oft essen – auf ähnlich inspirierte Gerichte stoße. Na, dann gucken wir uns das halt mal an und warten darauf, dass die coronabedingten Einschränkungen für die Restaurants bald ihr Ende finden. Danke für Deine Stellungnahme!

  2. Hofmann 27. April 2020 at 16:45 - Reply

    Hallo Uwe,

    ich habe mich (nach einem Besuch im Sosein) bereits an dem Gericht versucht. Mein Problem ist die Säure des fermentierten Rotkohlsaftes. Ohne Abmilderung durch Fond war mein Ansatz auch bei viel Butter zu sauer. Lässt sich die Säuerebildung beim Fermentieren (wie beschrieben, 2 % Salz im Vakuum) beeinflussen?

    Der (mit Kalbsfond und rotem Port abgerundete) Rothkohlsaft begleitet mangels getrockneter Räucherleber einen Rehrücken. Geht auch.

    Vielen Dankl für die zahlreichen Rezeptideen.

    mfg

    Hofmann

    • Uwe Spitzmüller 28. April 2020 at 10:51 - Reply

      Hallo! Du kannst die Fermentation über zwei Parameter steuern: Zeit und Temperatur. Je kälter die Fermentation abläuft, desto langsamer geht sie voran und desto langsamer findet auch die Aromabildung statt. Wenn Du die Fermentation nicht vier sondern nur drei Wochen laufen lässt, so sollte die Intensität auch noch nicht so ausgeprägt sein. Letzte Möglichkeit könnte die Reduktion nach dem Entsaften sein: je stärker der Rotkohlsaft reduziert wird, desto intensiver sind die Aromen. Über diese Parameter würde ich versuchen, zu steuern.

  3. Michael 1. Juni 2021 at 13:04 - Reply

    Hallo Uwe, vielen Dank für den tollen Beitrag. Ich habe das Gericht selbst schon im Sosein probieren dürfen und war auch absolut begeistert. Umso schöner ist es, dass ich mit deiner Anleitung nun einen eigenen Versuch starten kann. 3 Fragen hätte ich allerdings noch: wie lang reift die Leber vor dem ersten Räucherdurchgang? Beim Reifen nach dem räuchern bleibt es bei 1,5 Grad und 85%? Und wie lang ist die Leber nach Herstellung haltbar?

    Vielen Dank für deine Hilfe

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